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Föderalismus discuto Beitrag

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Föderalismus als Zukunftsmodell für Europa

P1

Föderalismus ist ein Ordnungsprinzip, das Zusammenhalt und Autonomie miteinander verbindet, Wettbewerb auf Augenhöhe ermöglicht und Minderheitenrechte schützt. Föderalismus ist nicht perfekt, sondern kompliziert, entspricht damit aber der Komplexität pluralistischer Gemeinschaften. In Deutschland leben wir eine föderale Ordnung, haben wir einen Bundesstaat. Dieser Bundesstaat ist nicht statisch, sondern steht trotz seiner verfassungsmäßigen Ewigkeitsgarantie immer wieder vor der Notwendigkeit, Konsens mit den ihn konstituierenden Gliedstaaten herstellen zu müssen. Föderalismus ist ein hochdynamisches und zugleich, aufgrund seiner Gewaltenverschränkung mühsames Ordnungsprinzip. Es steht dem Zentralismus gegenüber und ist – anders als eine zentralstaatliche Ordnung – kaum ohne Demokratie und Rechtsstaatlichkeit denkbar. Föderalismus zeichnet sich eben gerade durch demokratische Selbstbestimmung aus. Er beantwortet die Frage, wie friedliches Zusammenleben in Europa möglich sein kann.

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P2

Der Gründervater des europäischen Föderalismus, der italienische Antifaschist Altiero Spinelli, verfocht in seinem Manifest von Ventotene, das er 1941 in Gefangenschaft verfasste, die Idee einer supranationalen europäischen Integration, einer europäischen Föderation. Dieser europäische Bundesstaat sollte den Nationalstaaten jene Autonomie belassen, „die eine plastische Gliederung und die Entwicklung eines politischen Lebens, gemäß den besonderen Eigenschaften der verschiedenen Völker, gestattet“.

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P3

Als eine wichtige gemeinsame überstaatliche Aufgabe und Dreh- und Angelpunkt der Integration erkannte Spinelli bereits während des Zweiten Weltkriegs die Schaffung einer europäischen Streitmacht. Tatsächlich sollte die Europäische Verteidigungsgemeinschaft von 1952 genau dies ermöglichen und auch den Weg zu einer Politischen Union in Europa eröffnen. Die EVG scheiterte bekanntlich 1954 in der Französischen Nationalversammlung.

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P4

Nach den US-Präsidentschaftswahlen vom 8. November 2016 wird die Frage der gemeinsamen Verteidigung wieder virulent werden. Der ehemalige, langjährige US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, sagte am Tag nach der Wahl: Trumps Wahl bedeutet das Ende der Nachkriegswelt. Der amerikanische Schirm über Europa ist für immer weg. Wenn dem so ist, tut sich in Europa ein Machtvakuum auf.

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P5

40 Nationalstaaten, gleich ob sie so klein sind wie Luxemburg oder Malta, oder so relativ groß wie Deutschland, Frankreich oder Italien, werden dieses Vakuum nicht füllen können. Und ob sie im Inneren föderal oder zentralistisch verfasst sind, spielt für diese überlebenswichtige Frage zunächst keine Rolle. Fest steht aber: Kleinstaaterei in Europa, Nationalismus, wird Frieden und Wohlstand zerstören und im Zweifel Russland einladen, seine alte Machtsphäre wiederherzustellen oder gar über sie hinauszugreifen.

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P6

Deshalb kann es für die Europäer, ob es nun Esten oder Portugiesen, Deutsche und dort Bayern oder Niedersachsen oder Spanier und dort Andalusier oder Katalanen sind, ein Überleben in Freiheit nur geben, wenn sie sich politisch zusammenschließen. Und sie können das tun, ohne die Identität der Nationalitäten aufzugeben, die teilweise, aber eben auch nur teilweise mit den Grenzziehungen der Nationalstaaten übereinstimmen.

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P7

Dass jede Nationalität auch einen eigenen Nationalstaat brauche – im Sinne des Konstruktes, das sich nach dem Dreißigjährigen Krieg entwickelt hat, ist eine gefährliche Illusion. Dieses Verständnis vom Selbstbestimmungsrecht der Völker ist mit ursächlich für die Balkankriege der 1990er Jahre. Die europäische Föderation bietet die Chance, solche Irrwege zu vermeiden. Die Europäische Union mag unvollkommen und fehlerhaft sein, sie weist aber den richtigen Weg.

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P8

Die Europäische Föderation bedeutet nicht Zentralisierung auf europäischer Ebene. Aber sie ist mehr und muss mehr sein als ein schwacher Staatenbund. Die Federalists, die Gründerväter der USA, um Alexander Hamilton, James Madison und John Jay wollten einen starken Bundesstaat, mithin mehr Zusammenhalt als eine lose Konföderation ihn verbürgt hätte. Ein starker Bundesstaat bedeutet aber nicht automatisch, dass die Teilstaaten schwach werden. Föderalismus ist kein Nullsummenspiel. Ein gesunder Körper zeichnet sich eben durch starke Organe und Glieder aus.

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P9

Wie genau Autonomie und Zusammenhalt in Einklang gebracht werden, ist nicht festgelegt. Die deutsche bundesstaatliche Ordnung zum Beispiel wird davon geprägt, dass sie – anders als die USA – kein echtes Zweikammersystem hat. Denn die Mitglieder des Bundesrates in Deutschland sind Entsandte der Landesregierungen. Sie haben kein freies, sondern ein imperatives Mandat. Das unterscheidet den deutschen Bundesrat vom amerikanischen Senat. Im deutschen Fall spricht man auch vom Exekutivföderalismus. Beide Wege sind möglich, beide Modelle sind föderalistisch. Auch dritte Wege sind denkbar, mit dem Föderalismusprinzip vereinbar.

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P10

Entscheidend ist, dass föderale Ordnungsmuster friedliches Zusammenleben erlauben, in ihrer Tiefe und Reichweite auszuhandelnde Solidarität und Zusammenhalt gewährleisten, gleichzeitig aber weitgehend selbstbestimmte Autonomie und auch Wettbewerb unter den Mitgliedern der Föderation ermöglichen.

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P11

Gerade der föderale Wettbewerb bewirkt eine Win-Win-Situation für die Föderation und die Föderierten. Dass Föderalismus allein jedoch friedliches Zusammenleben, Dialog und Miteinander auch nicht zu gewährleisten vermag, ahnen wir mit Blick auf die heute zu konstatierende gesellschaftliche Spaltung der USA, aber auch unserer europäischen Gesellschaften. Diese Spaltung aber ist nicht auf die Verfasstheit Amerikas oder Europas zurückzuführen, sondern auf andere Aspekte, auf die Globalisierung und das Gebaren der Eliten, auf die digitale Revolution und gesellschaftliche Brüche und Umbrüche. Die Fragen, vor die Trump, Le Pen, Petry und Wilders uns stellen, können nur bedingt mit Föderalismus beantwortet werden. Föderalismus kann nicht alle Probleme unserer Zeit lösen. Er ist aber die Antwort auf die europäische Vielfalt, durch diese bedingt und zugleich ihr Garant.

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P12

Föderalismus entspricht Europas Wesen, ist also wesentlich für Europas politische Konstitution. Die eurasische Halbinsel, Europa also, zeichnet sich nicht zuletzt dadurch aus, dass sie von einer Vielzahl von Völkern bewohnt wird. Es gab in Europa – und nicht nur dort, sondern auf allen Erdteilen – immer mehr Völker, mehr Ethnien als Staaten. Der Nationalstaat gründet sich in aller Regel auf eine ethnische Homogenitätsvorstellung, die mit der Völkervielfalt eigentlich unvereinbar ist. Diskriminierung und Unterdrückung waren und sind die häufige Folge, der sich daraus ergebenden Spannungen. Ein föderales Staatswesen, dass Heterogenität als Stärke nutzt, kann die Gefahr ethnischer Spannungen mindern.

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P13

Wichtige Voraussetzungen sind immer stabile Demokratie und funktionierende Rechtsstaatlichkeit. Der föderale Bundesstaat unterscheidet sich vom Zentralstaat, der allenfalls Zugeständnisse an autonome Gemeinschaften macht, dadurch, dass seine Gliedstaaten ihn begründen und somit auf Augenhöhe miteinander stehen. Das schließt nicht aus, dass es größere und kleinere Glied- oder Teilstaaten gibt. Sie sind aber qua Verfassung gleichberechtigt. Föderalismus ermöglicht friedliches und produktives Zusammenleben in Entitäten, die durch Pluralismus und Multiethnizität gekennzeichnet sind.

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P14

Für die Selbstzerstörung des alten Europas vor 100 Jahren, im Ersten Weltkrieg, zeichnete freilich nicht allein der moderne Nationalstaat verantwortlich. Immerhin gab es neben Nationalstaaten mit imperialem Anspruch wie dem Deutschen Reich mit Österreich-Ungarn, Russland und dem Osmanischen Reich übernationale Imperien, die nicht unwesentlich an der kollektiven Katastrophe beteiligt waren.

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P15

Nationalstaaten und Reiche standen sich aber trotz hoher ökonomischer Verflechtung politisch ohne Ausgleichs- oder Konfliktentschärfungsmechanismen unversöhnlich gegenüber. Sie waren von Existenzangst getrieben und fatalen militärstrategischen Automatismen ausgeliefert. Und der Nationalismus spielte auch und gerade in den Vielvölkerreichen eine zerstörerische, kriegstreibende Rolle. Vor allem aber waren diese Reiche keine Demokratien und auch keine Rechtsstaaten. Und auch der Föderalismus des Deutschen Reichs war nur ein Schein-Föderalismus. Der Gliedstaat Preußen hatte klar eine Vorrangstellung.

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P16

Der europäische Föderalismus ist die Antwort auf die Zeit der Weltkriege, auch wenn zunächst mit der Methode Monnet ein inkrementeller Weg gewählt wurde, die schrittweise Einigung über den gemeinsamen Markt. Föderalismus ist unvereinbar mit politischer Hybris und Machtmissbrauch, denn ihn zeichnen checks and balances aus. Er beschränkt die politische Macht der Zentrale. Er wirkt gleichwohl – und gerade durch diese Beschränkung und die mit ihr einhergehende Gewaltenverschränkung – zentrifugalen Kräften entgegen. Föderale Ordnungen werden nicht nur durch das Vorhandensein demokratischer Institutionen bedingt, sie beleben diese auch. Sie sind im Vergleich zu zentralistischen Ordnungen nicht nur in der politischen Theorie bürgernäher.

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P17

Subsidiarität ist für jede föderale Ordnung von entscheidender Bedeutung. Das gilt nicht nur für das Verhältnis der Europäischen Union zu ihren Mitgliedstaaten. Staatliche Maßnahmen und öffentliche Dienstleistungen müssen so bürgernah wie möglich erfolgen. Nur wenn die föderalen Glieder nicht in der Lage sind, selbst tätig zu werden, muss die Föderation dies tun, beziehungsweise die bundesstaatliche Ebene wird dann tätig, wenn dieses Tätigwerden – im Einvernehmen mit den Teilstaaten – einen Mehrwert erzeugt oder für den Zusammenhalt der Föderation geboten ist.

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P18

Gewiss hat Föderalismus auch „Nachteile“ oder sagen wir besser, er hat seinen Preis. In Deutschland etwa haben wir in allen 16 Bundesländern Verwaltungsapparate. Inklusive Bundesregierung haben wir 17 Regierungen, aktuell 145 Ministerien und 17 Parlamente mit rund 2.500 Parlamentariern. Die Aushandlungsprozesse in föderalen Ordnungen kosten Zeit und Geld. Sie sind zuweilen zäh, aufwendig, umständlich. Aber: Sie ermöglichen eben weitgehende Autonomie, Wettbewerb und gleichzeitig Solidarität und Zusammenhalt.

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P19

Eine jede föderale Ordnung kennt Mechanismen der Solidarität und des Ausgleichs. Ob diese als gerecht oder gerechtfertigt empfunden werden, hängt sicherlich stark davon ab, wie diese Mechanismen gestaltet werden. Jede föderale Ordnung stellt einen dynamischen Aushandlungsprozess dar, dessen Charme eben darin liegt, Konfrontation durch Konsens zu ersetzen.

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